Die erste Jahreshälfte des 2024 war extrem vielfältig und überwältigend. Ich hatte einige Herausforderungen, die die Zeit von Februar bis Juni geprägt haben und die zum Teil lebensverändernd waren (im positiven Sinn).
Nach dem Swiss Cup war ich sehr motiviert, um den Olympia-Zyklus 2024 auf einem Hoch zu beenden und ich konnte es kaum abwarten den Weg nach Los Angeles 2028 zu starten.
Anfangs 2024 wurde ich für die FIG World Cup Series nominiert. Diese Serie besteht aus vier Weltcups auf verschiedenen Kontinenten, bei denen sich Athlet:innen aus der ganzen Welt messen. Die Herausforderung dabei ist eine konstante Leistung über vier Wettkämpfe zu erzielen und am Ende als Gesamtweltcupsieger:in nach Hause reist. Die Weltcups sind vor allem auf Gerätespezialisten (Turner:innen, die keinen Mehrkampf trainieren) fokussiert, denn des gibt zurzeit keine Weltcup-Serie in der Mehrkampf-Disziplin.
Speziell war auch, dass man über die FIG World Cup Series sich noch einen Quotenplatz für die olympischen Spiele in Paris sichern konnte. Das machten die Wettkämpfe nochmals mehr spannend und erhöhte das Niveau enorm. Für mich war die Olympia-Qualifikation eher unrealistisch, doch ich wusste, dass das Engagement von Trainer, Verband und auch Teamkolleginnen einmalig war und ich bin sehr dankbar für alle (vor allem meine Teamkolleginnen), die etwas aufgeopfert haben, damit ich an die Weltcups reisen konnte.
Aufgrunddessen, dass nicht der Mehrkampf im Vordergrung steht, habe ich mich dazu entschieden Stufenbarren und Boden zu turnen.
World Cup Cairo:
Mitte Februar haben wir uns auf die Weltreise begeben mit dem ersten Stop in Cairo, Ägypten. Die Reise verlief einwandfrei und die Unterkunft war auch nicht all zu weit von der Halle entfernt. Als wir dort ankamen, wurden wir von einer überfüllten Trainingshalle überrascht. Fast 300 Teilnehmer zählte der Wettkampf und fast alle waren gleichzeitig in der Halle. Es waren so viele Leute, dass die Geräte auf den ersten Blick nicht zu erkennen war. Für mich war die grosse Anzahl von Menschen einer der grössten Herausforderungen. Zuerst fand man keinen Platz um sich einzuturnen, denn ständig wurden quer über den Boden geturnt. Das Training am Stufenbarren gestaltete sich ebenfalls einzigartig. Zwischen jedem Versuch lagen ungefähr zehn bis 15 Minuten, da wir zu acht oder zu zehnt an einem einzigen Stufenbarren trainierten. Am Boden sassen um das ganze Bodenviereck Menschen, die einturnten, sich massieren liessen oder warteten. Zum Teil sassen sich auch genau in den Ecken und in diesen Fällen musste ich mich stark überwinden, um meine akrobatischen Linien zu turnen. Das Problem war: Es lohnte sich nicht die Anderen von den Ecken weg zu bitten, denn ein Moment später sassen sich die nächsten hin. Es fühlte sich an als wäre die Trainingshalle ein Ameisenhaufen.
Der Ablauf des Wettkampfs war ebenfalls nicht zu vergleichen mit dem, was ich bis jetzt kannte. Weniger als 24 Stunden vor dem Wettkampf wusste ich nicht, wann ich am nächsten Tag turnen werde. Zudem war es eine komische Situation sich am Wettkampftag nur für ein Gerät (Stufenbarren) einzuwärmen und ein Tag darauf das andere (Boden) zu turnen.
Doch wie lief der Weltcup in Cairo mit den bereits ernannten Schwierigkeiten? Meine Leistungen waren unerfreulich. Am Stufenbarren und am Boden mussten ich Stürze in Kauf nehmen. Das Resultat war für mich dementsprechend sehr enttäuschend. So in die Weltcup-Serie zu starten war definitiv nicht, wie ich mir es vorgestellt habe.
Meine Teamkollegin half mir sehr die Enttäuschung zu verarbeiten und den Fokus wiederherzustellen. Das war sehr wichtig, denn die Reise ging sofort weiter.
World Cup Cottbus:
Mit einer Übernachtung in Zürich flogen wir direkt nach Berlin, um von da nach Cottbus, Deutschland, zu reisen. Die Trainingsbedingungen waren ähnlich wie in Cairo, aber das Tolle war, dass wir immer die Möglichkeit hatten, um in der Wettkampfshalle zu trainieren. Das Antrefen von den Athlet:innen in Cottbus gab auch etwas mehr Vertauen, da wir alle in der gleichen Situation sind und es ist immer schön bekannte Gesichter an internationalen Wettkämpfen anzutreffen.
Aufgrund der schlechten Übung in Cairo versuchte ich meine Stufenbarrenübung für Cottbus etwas anzupassen und umzustellen. Leider ging dies nicht auf... Ich stürzte erneut. Wenn ich jetzt an den Moment zurückdenke, kann ich nicht sagen, wie ich am nächsten Tag eine gute Bodenübung auf die Beine bringen konnte. Irgendwo in mir fand ich das Vertrauen, dass ich fähig bin gute Leistungen zu erbringen. Ich weiss noch, dass ich kaum nervös war, obwohl meine letzten Übungen im Kopf eingebrannt sind. Irgendwie konnte ich trotzallem die Bodenübung geniessen. Es muss vielleicht erwähnt werden, dass ich seit diesem Jahr eine neue Bodenmusik und -choreo habe, die ich extrem gerne turne und präsentiere.
Ich war sehr erleichtert, um mit einem guten Abschluss nach Hause zu reisen. Die Erschöpfung war im ganzen Körper spürbar und nach zwei Wochen war ich froh in meiner gewohnten Umgebung zu sein.
Bis zum nächsten Weltcup war noch eine Woche in Magglingen. Während dieser Woche musste mein technisches Problem am Stufenbarren behoben werden. Es war in dieser Zeit sehr wichtig eine gute Einstellung zu dem Element aufzubauen und effizient zu trainieren, da der Körper durch die Reisen etwas strapaziert war. Am Freitag vor der Abreise wurde ich noch an die Aargauer Sportgala eingeladen. Da wurde ich für meinen Schweizermeistertitel am Stufenbarren vom letzten Jahr geehrt. Es ist mir immer eine grosse Ehre vom Kanton an so einen Anlass eingeladen zu werden und mit vielen erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler versammelt zu sein.
World Cup Baku:
Die Arbeit hat sich gelohnt! In Baku, Azerbaischan, konnte ich eine sehr gute Barrenübung turnen. Zum ersten Mal haben alle Schwierigkeiten gezählt und ich bekam eine Note von 13.333. Nur 0.066 fehlten für den Finaleinzug! Das Resultat machte mich sehr glücklich und ich war schon ein bisschen stolz. Es fiel eine grosse Last von mir, die sich leider auch im Körper spürbar machte. Die Luft war raus und die Energie fehlte mir am Folgetag, um eine genau so gute Bodenübung zu turnen.
Aufgrund der Vorbereitung der Europameisterschaften und die nicht mögliche Olympiaquali entschieden wir uns dafür den letzten Weltcup in Doha, Qatar, nicht zu turnen. Somit waren für mich die FIG World Cup Series zu Ende.
Rückblickend habe ich unglaublich viel gelernt über mich und mein Kunstturnen. Ich habe enorm viele Eindrücke und Momente sammeln können, die mir ein Leben lang bleiben und die meine Karriere geprägt haben. Ich kenne mich aufgrund dieser Erfahrungen besser. Ich lernte, wie ich mit Enttäuschungen und Glücksmomenten umgehe, wie anderen Athlet:innen sich vorbereiten und zum Teil auch schlechte Resultate verarbeiten.
Zeit zum Erholen? Auf gar keinen Fall! Während ich auf Weltreise war, startete in Magglingen die Vorbereitungen der Europameisterschaft. Meine Teamkolleginnen trainierten fleissig und als ich von Baku zurückkam, schloss ich mich ihnen an. Wie die Vorbereitungen verlaufen sind und welche für zusätzliche Challenges mich in dieser Zeit erwartet haben, gibts im nächsten Teil.
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